Helmut Nerstheimer (1924-2018)

Helmut Nerstheimer

(1924-2018)

 

Helmut Nerstheimer wurde am 23.12.1924 in Polen im Gebiet zwischen Pommern und Ostpreußen geboren. Dort besuchte er sieben Jahre lang eine polnische Schule, danach wurde er von einem Hauslehrer unterrichtet. Er arbeitete in der Landwirtschaft seines Vaters und fand deshalb keine Zeit, seinen Traumberuf „Schlosser“ zu erlernen. Später wurde er zum Militär eingezogen. Dabei erlitt er eine schwere Beinverletzung, er verlor einen Teil seines Beines. 1944 wurde er in ein Lazarett verlegt, wo er die Grundlagen des Schachspiels erlernte. Einige Jahre verbrachte er in Kriegsgefangenenschaft. Hier spielte er weiter Schach gegen starke Gegner. Im Nachhinein erfuhr er, dass es sich dabei teilweise um Großmeister handelte. Darauf führte er seine enorme Steigerung der Spielstärke zurück.

Nerstheimer

Als er 1948 aus der Kriegsgefangenenschaft entlassen wurde vermittelten ihm Freunde seiner Eltern eine Arbeitsstelle in Knapsack. Zunächst wurde er als Hilfsarbeiter eingesetzt. Durch kontinuierliche Fortbildung stieg er nach und nach bis zum Lohnbuchhalter auf. 1956 heiratete er, die Ehe mit Gustel hielt bis zuletzt. Er hatte drei Söhne. 1960 baute Helmut Nerstheimer ein Haus in Liblar am Möwenweg.

Seine schachliche Laufbahn im Rheinland begann im Schachverein Berrenrath, wo er dessen Oberligamannschaft angehörte. 1954 wurde er Zweiter bei der Kölner Stadtmeisterschaft. Später wechselte er zum Schachverein Brüggen und spielte wiederum Oberliga. Nach Erftstadt kam er auf Drängen von Helmut Schlich (1935-2015), hier verstärkte er die Landesligamannschaft, der neben Schlich auch Eberhard Maurer (1933-2017) und Franz-Georg Rips angehörten. Getreu seinem Motto „Ohne Engagement durch die Mitglieder kann ja kein Verein bestehen“ übernahm er Verantwortung: Von 1979 bis 1988 war er Vorsitzender der Schachabteilung. Auch im Kreisverband war er ehrenamtlich tätig, z.B. als Kassenwart. Helmut hatte 1981 auch die Idee, ein Mannschaftsblitzturnier für Vereine aus dem Kölner Schachbezirk zu veranstalten. Daraus entwickelte sich unser heutiges Brötchenturnier.

Ende der 1980er Jahre spielte er zeitweise im Schachklub Brühl, kehrte dann aber wieder nach Erftstadt zurück. Im Jahre 2004 wurde er anlässlich seines achtzigsten Geburtstages zum bis dahin einzigen Ehrenmitglied ernannt.

In den letzten Jahren beeinträchtigte ihn mehr und mehr seine Gesundheit. Als hätte er mit seiner Beinprothese nicht schon genug Probleme, ließ kontinuierlich sein Augenlicht nach, und auch die Atmung musste durch eine Kanüle in der Luftröhre unterstützt werden.Helmut hätte wahrlich Grund zum Klagen gehabt, aber er tat es nie.

Wegen dieser gesundheitlichen Probleme beendete er 2016 seine aktive Laufbahn. Nach und nach erlahmten seine Kräfte, am 2. August 2018 verstarb er. Seine letzte Ruhestätte ist der Friedhof in Liblar.

Nerstheimer Grab Erftstadt HP Nerstheimer Grab Bruehl HP
Fotos: Werner Rost  

 

Helmut Nerstheimer hatte ein hervorragendes Schachverständnis. Er wusste genau, wo die Figuren wirksam zu platzieren waren, erkannte jede Schwäche in der gegnerischen Stellung und war ein Meister im Endspiel. Zitat: „Es ist faszinierend wie man dann kleine Schwächen ausnutzen kann um den Gegner „platt“ zu schieben.“.

Stolz ist er auf seine drei Partien gegen Dr. Paul Tröger. [Tröger (1913-1992) war Nationalspieler und 1957 deutscher Meister. 1958 und 1962 nahm er an den Schacholympiaden teil. Mit Porz wurde er 1967, 1979 und 1982 deutscher Mannschaftsmeister.] Die erste Partie gewann Helmut, die zweite verlor er und die dritte Partie endete remis. Diese dritte Partie ist erhalten.

Tröger ging daher als haushoher Favorit in diese Partie. Entsprechend vorsichtig agierte Helmut. Mit durchdachten Abtäuschen vereinfachte er die Stellung. Als Tröger im 24. Zug einem Tausch auswich, geriet er sogar in Nachteil, aus dem Helmut aber kein Kapital schlug. Nochmals konnte Helmut im 49. Zug Gewinnversuche unternehmen. Aber er wickelte lieber ins Remis ab, indem er alle weißen Bauern vom Brett nahm. Mit König und Springer konnte sogar Tröger nicht gewinnen...

 In dieser Partie geriet Helmut an keiner Stelle in Nachteil, dagegen hatte er mehrmals Vorteil. Ein glänzendes Ergebnis gegen diesen übermächtigen Gegner.

 

Tröger,Paul - Nerstheimer,Helmut (1986)

1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.e3 e6 4.Ld3 Ld6 5.Sbd2 Sbd7 6.0-0 0-0 7.e4 dxe4 8.Sxe4 Sxe4 9.Lxe4 Sf6 10.Ld3 b6 11.Lg5 Lb7 12.De2 Le7 13.c3 h6 14.Lh4 Sh5 15.Lg3 Sxg3 16.hxg3 c5 17.dxc5 Lxc5 18.Le4 Lxe4 19.Dxe4 Dc7 20.g4 Le7 21.Tad1 Tad8 22.Da4 Txd1 23.Txd1 Td8 24.Te1?! [Tröger möchte weitere Vereinfachungen vermeiden. Besser war jedoch Txd8 mit Ausgleich.] Lf6 25.g3 Db7 26.Kg2? [De4 war besser.] Td3 [Schade. Td2 hielt den Vorteil fest.] 27.De4 Dxe4 28.Txe4 Kf8 29.Ta4 a5 30.Tc4 Ke7 31.Tc8 Td8 32.Txd8 Kxd8 33.a4 Kc7 34.Sd2 Kc6 35.f4 b5 36.axb5+ Kxb5 37.Kf3 a4 38.Ke3 e5 39.Ke4 exf4 40.gxf4 Kc5 41.Kd3 Le7 42.Se4+ Kc6 43.c4 a3 44.bxa3 Lxa3 45.Ke3 Lc5+ 46.Kf3 Ld4 47.f5 Le5 48.Sf2 Kc5 49.g5 hxg5 [besser war h5. Damit könnte Helmut sogar Gewinnversuche unternehmen.] 50.Se4+ Kxc4 51.Sxg5 g6 remis

 Nerstheimer Troeger Diagramm

 

Basis dieses Nachrufs sind eigene Angaben, die Helmut Nerstheimer in einem Interview mit Peter Kreyßig im Jahr 2004 tätigte. Dieses Interview findet man in unserer Vereinszeitschrift Incognito Ausgabe 14. - W.R.